#59 – Alles zum Integralschwert bei Alu-Yachten
Ein wichtiges Merkmal unserer GARCIA-Yachten sowie der Blauwasser-Boote von ALLURES ist das Integralschwert. Immer wieder begegnen mir in Beratungsgesprächen viele facettenreiche Fragen Ihrerseits zum Thema Funktionsweise, aber auch zur Sicherheit sowie zu den Vor- und Nachteilen. Gemeinsam mit dem Ingenieur Remy Hequet, der beim Designbüro Berret-Racoupeau für die Berechnung und Konstruktion der Schwerter und Schwertmechanismen verantwortlich ist, möchte ich Ihnen in diesem Artikel das Integralschwert á la Grand Large Yachting nahe bringen.

Ich unterhalte mich mit Remy Hequet von Berret-Racoupeau
Zunächst: Die meisten Käufer einer Blauwasser-Yacht entscheiden sich ganz bewusst für ein Boot, welches keinen festen Kiel hat. Mit einem variablen Tiefgang eröffnen sich für einen Blauwasser-Segler nicht nur eine Vielzahl für Festkiel-Yachten unerreichbarer, interessanter Segel-Gebiete, sondern auch neue Einsatzmöglichkeiten für das Boot. Denn mit aufgezogenem Kiel können Sie durchaus in Flussdeltas fahren und obere Flussläufe erkunden, wie beispielsweise den Amazonas. Variabler Tiefgang macht Ihren ganzen Törn variabler. Interessantere Ankerbuchten, kleinere Häfen, aber auch einfach das Boot an Land setzen für Reparatur-Arbeiten – all das ist ohne den festen Kiel viel einfacher. Für eine Blauwasser-Yacht sollte Vielseitigkeit an erster Stelle stehen, nicht die Spezialisierung.
Ich spreche mit Remy Hequet von Berret-Racoupeau Yachtdesign
Ich habe vergangene Woche mit dem verantwortlichen Ingenieur und Konstrukteur bei Berret-Racoupeau gesprochen, dem Design-Büro, welches u.a. ALLURES und GARCIA-Yachten entwirft. Remy ist der „King of Centreboards“, also so etwas wie der „Papst der Integralschwerter“. Ich habe ihn zuerst gefragt, was es Besonderes zu den Schwertern bei ALLURES-Yachten gibt.
Remy: „Bei dem Integralschwert-System für ALLURES-Yachten fällt mir zuerst ein, dass wir hier als Besonderheit haben, dass aus dem Schwert-Kasten unterhalb der Wasserlinie der Yacht keinerlei Bohrungen, Löcher oder andere potenziell leckende Öffnungen nach Außenbord gehen. Das ist nur ein kleines Detail, das ich aber hervorheben möchte, denn es hat großen Einfluss auf die Sicherheit. Um das Schwert einer ALLURES zu befestigen, sind lediglich vier Bolzen notwendig: Diese kann man wunderbar von außen unter dem Rumpf erreichen. Ein ALLURES-Eigner kann also beruhigt einen Wassereinbruch über das Schwert ausschließen.“ Da der Kasten quasi eine Kapsel ist, der das Schwert integriert, auch der Name: Integralschwert.

Das Integralschwert einer ALLURES: Gekapselt, simpel, sicher
Remy sagt im Gespräch, dass sie in Frankreich als ihre Design-Philosophie bei der Konstruktion von Yachten immer die Einfachheit aller Dinge an Bord an die erste Stelle setzen. Er nennt es: “Einfachheit ist der beste Freund eines Skippers, der um die Welt segelt.” Denn Murphys Gesetz verlangt, dass alles, was kaputtgehen kann, auch irgendwann kaputt gehen wird. “Das passiert dann natürlich immer zu den unmöglichsten Zeiten und an den am weitesten entfernten Stellen der Welt …” Deshalb vermeidet gerade so ein wichtiger Mechanismus wie der des Integralschwerts weitestgehend alles Komplexe, wie elektrische, hydraulische oder womöglich elektronische Bauteile. “Wir haben die ALLURES daher so simpel wie möglich gebaut!”, sagt Remy: “Eine Leine zum Absenken des Schwerts und eine Leine zum Aufholen. Fertig!”

Bedienung des ALLURES-Integralschwerts mit Leine & Winsch
Dieses simple, rein mechanische System macht die ALLURES daher besonders verlässlich und ausfallsicher. Wie Sie in dem Foto oben erkennen können, ist für die Bedienung des Integralschwerts lediglich eine Kurbel notwendig: Es wird wie ein Segel gehandhabt. Fieren geht locker aus der Hand, denn das Schwert wird von der Gravitation aus dem Kasten abgesenkt. Aufholen sind wenige Kurbelumdrehungen, die dank Untersetzung nicht viel Kraft erfordern. Da die meisten Yachten sowieso mindestens die Fallwinsch als Elektrowinsch ausgelegt haben, geht das sogar auf Knopfdruck.
Mythos Kielschwert, Ballast und Stabilitätskurve
Viele Segler (oder sollte ich besser sagen: Nicht-Segler) sind der Meinung, dass eine Yacht mit Kielschwert unsicherer ist, als eine mit Festkiel. Der Mythos, dass man weniger oder keinen Ballast in der Kiel-Bombe unter dem Rumpf hat und daher das Boot unsicherer. Das ist natürlich – zumindest auf ALLURES und GARCIA bezogen – vollkommener Unsinn! Trotzdem spreche ich Remy darauf einmal an.

ALLURES-Rumpf im Rohbau: Dort kommt der Eisenballast hinein
Er sagt: “Grundsätzlich ist das aufrichtende Moment, also die Kraft, die für die Stabilität und Kentersicherheit eines Bootes zuständig ist, eine Frage der Rumpfform und der Position des Schwerezentrums des Bootes. Bei einer ALLURES beispielsweise wird dieses Schwerezentrum am tiefsten Punkt des Rumpfes mit einer Vielzahl von schweren, gusseisernen Gewichten erzeugt. In Bezug auf das Integralschwert, welches aus Aluminium hergestellt ist, hat es keinen – oder sagen wir keinen nennenswerten – Einfluss darauf, wo sich das Schwerezentrum befindet. Ob das Schwert nun eingezogen oder unten ist, die 150 Kilogramm Schwertgewicht sind vernachlässigbar.” Die Gewichte aus Gusseisen werden selbstverständlich aufwändig vom Aluminiumrumpf isoliert und können somit niemals Kontakt mit dem Aluminium bekommen.

Das Integralschwert gerade so noch sichtbar
Um mit diesem Mythos also ein für alle mal aufzuräumen: Eine ALLURES segelt immer stabil, ob Sie das Schwert drinnen oder draußen haben. Unser Integralschwert dient lediglich bei Windkursen kleiner als 130-100 Grad dazu, die Abdrift der Yacht zu verhindern. Das kennen einige von Ihnen sicher noch vom Opti-Segeln: Ohne Schwert ist die Abdrift vor allem am Wind so groß, dass das Dingi quasi seitwärts segelt. Auf die Stabilität oder gar die Kenterkurve hat das Schwert bei ALLURES also keinerlei Einfluss! Es macht Ihre Yacht kursstabil.
Integralschwert oder Schwenkkiel mit Ballast?
Seit einigen Jahren bieten wir die ALLURES-Yachten auch mit einem hydraulischen Schwenkkiel an. Bei dieser Variante des Bootes spricht das Marketing von einer “Performance-Variante”, da sich alles eben Gesagte ein wenig aufhebt: Der Schwenkkiel verfügt über 2.5 Tonnen Ballast, welcher durch das Absenken bis tief unter die Yacht gebracht wird. Dadurch kann man auf die Eisengewichte im Rumpf verzichten: Die ALLURES 45.9 mit Schwenkkiel wiegt daher nur 10.6 Tonnen. Die Integralschwert-Variante der 45.9 kommt auf 12.6 Tonnen, da der Ballast von hier 4.8 Tonnen Eisen ja wesentlich mehr sein muss, da er höher im Rumpf angeordnet ist und weniger Hebelweg hat. Was sagt Remy dazu?

Trockenfallen? Dank Integralschwert!
“Wie bei jeder Entscheidung pro oder contra einer Ausstattungsvariante, muss man als zukünftiger Eigner einer ALLURES diese genau auf das eigene Segelprogramm anpassen. Denn ein prinzipiell “besser” oder “schlechter” gibt es nicht bei Booten. Das Integralschwert hat viele Vorteile, die man mit dem Schwenkkiel nicht mehr hat: Das unkomplizierte Trockenfallen beispielsweise. Da das Schwert komplett im Kielkasten und damit im Rumpf verschwindet, kann man absolut sorgenfrei in sehr flachen Gewässern fahren. Man kann überall trockenfallen. Und – wir haben das schon anfangs erwähnt – man sollte nicht unterschätzen, dass eine solchen Yacht ohne Probleme überall, wirklich überall!, an Land gesetzt werden kann für Wartungs- und Reparatur-Arbeiten. Das geht mit dem Schwenkkiel nun alles nicht mehr.”

Beide Varianten haben ihre Eigenheiten
Und welche Vorteile bietet der Schwenkkiel? Remy wieder: “Unser ALLURES-Schwenkkiel macht die 45.9 aufgrund des geringeren Gewichtes ein wenig schneller, das stimmt schon. Zudem gewinnt man nun im Rumpf den Stauraum, der vorher mit den Gusseisen-Gewichten voll war. Man kann also mehr mitnehmen – was dann allerdings das eingesparte Gewicht wieder etwas konterkariert ...”
Ich persönlich kann hierzu eigentlich nur sagen, dass auf einer ernsthaften Blauwasser-Reise das Thema Speed eher zweitranging, oftmals noch weniger wichtig ist. Ob Sie nun mit 8.5 Knoten oder 8.9 Knoten im Schnitt segeln, ist selbstverständlich schon ein Unterschied – echten Blauwasser-Skippern ist allerdings der Segelkomfort viel wichtiger. Aus meiner Erfahrung ist der Geschwindigkeitsvorteil des Schwenkkiels bei ALLURES eher kein Verkaufsargument, was auch die Verkaufszahlen beweisen. So oder so, wichtig ist: Die Kenterkurve beider Yachten ist die selbe. Auf die Sicherheit hat die Entscheidung Integralschwert oder Schwenkkiel also keinerlei Einfluss!

Schwert und Propeller sind sehr gut geschützt!
Viele meiner Kunden segeln in Seegebieten, die durchaus eher spärlich kartographiert sein können. Das ist für einen Ostsee-Segler oder Skipper in der Adria kaum vorstellbar, denn hier sind gefühlt alle Steine über 1 Meter Durchmesser mit Name und Geburtsdatum in den Karten erfasst. Das sieht in Patagonien schon ganz anders aus. Grundberührungen sind also keineswegs auszuschließen. Eine Blauwasseryacht sollte daher über Sicherheitsmechanismen verfügen, welche die Folgen eines Auf-Grund-Laufens möglichst minimal halten. Beim Integralschwert von ALLURES ist das bedacht.

Alles safe an Bord: ALLURES 45.9
Remy erklärt es: “Das Schwert einer ALLURES kann sich frei bewegen – es gibt hier also kein “Einrasten” oder Ähnliches. Auch hier liegt die Schönheit des Systems in seiner bestechenden Einfachheit: Das Schwert, wenn es auf etwas trifft, wird dann einfach nach hinten hin einklappen. Das Risiko, hier etwas nachhaltig zu beschädigen, ist also sehr gering.” Remy verweist zudem auf das Material, aus dem die Schwerter bei ALLURES gefertigt sind: “Aluminium ist ein vergleichsweise weiches Metall. Es kann auch einen harten Aufprall, beispielsweise auf einen Stein, gut absorbieren. Alu mag sich verbiegen, es kann eine Beule oder einen Abdruck geben – aber es wird niemals brechen! Wie ein natürlicher Sicherheitsmechanismus.” Sollte eine heftige Grundberührung geschehen sein, wird Ihre ALLURES dann einfach an Land gesetzt oder auf eine Helling an Land gezogen – Alu kann fast überall auf der Welt einfach repariert/ausgebessert werden.
Die Zukunft …
Ich frage Remy zum Abschluss unseres kleinen Kiel-tete-a-tete noch, ob das Design-Büro an etwas Spannendem arbeiten würde, das wir vielleicht in Zukunft sehen können. Da grinst er nur und meint: “Top secret, Nils!” Einen Versuch war es wert …
Für jetzt können Sie sich auf die einfache “fail-safe”-Technik Ihrer ALLURES-Yacht verlassen: Hunderte Yachten segeln zigtausende Meilen, erkunden die abgelegendsten Seegebiete, die verstecktesten Ankerbuchten und setzen ihre Spuren dort, wo bisher erst sehr wenige Menschen waren.

Machen Sie einen Beratungstermin mit mir direkt an Bord!
Für mich persönlich ist die ALLURES 45.9 die beste Blauwasseryacht auf dem Markt! Sie ist ausgereift bis ins letzte Detail, bietet Ihnen auf Langfahrt die bestmögliche Kombination aus Komfort, Sicherheit, Seegängigkeit und auch Speed. Sie und Ihre Gäste haben an Bord viel Platz und viel Licht. Noch habe ich eine ALLURES 45.9 in Bremerhaven im Refit und Winterlager: Sehr gern zeige ich Ihnen bei einem persönlichen Termin dieses tolle Schiff! Oder ich organisiere einen ausgiebigen Werftbesuch mit Ihnen in Cherbourg, gern auch ein Probesegeln, um Ihnen dieses faszinierende Schiff vorzustellen!
Merci, Remy, für das interessante Interview!