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Regatten, Rum und Regenwald

Martinique ist ein kleines Stück Europa in den Tropen. Und in Le Marin befindet sich eines der besten Yachtzentren der südlichen Karibik. Aber Martinique ist noch viel mehr. Eine faszinierende Insel mit geheimnisvollem Regenwald, exotischen Stränden, einer turbulenten Geschichte und viel versprechenden Zukunft.

 

Unter dem Gejohle der Zuschauer werden die schmalen, doch mehr als neun Meter langen Jollen mit kräftigen Holzstangen ins Wasser geschoben, der Steuermann hält sich an sein Paddel, zwei Männer im Boot holen die Schot dicht, die anderen turnen herein, schieben die Stäbe in ihre Halterungen, klammern sich außenbords daran fest. Der Balanceakt kann beginnen, die Boote werden im frischen Passatwind schneller und halten aus der Bucht hinaus auf die Karibische See. Schäumende Gischt auf tiefblauem Wasser, dicht an dicht segeln die offenen Jollen mit ihren riesigen, fast quadratischen und knallbunten Spritsegeln, schmal und kippelig und verdammt schnell; wer auf dem Kurs nicht kentert hat schon halb gewonnen. Dies sind die Rennen der berühmten Yoles Rondes, die »runden Jollen«, ein Zuschauerspektakel, im lokalen Fernsehen übertragen und in der Presse gefeiert und hoch gesponsert von Inselfirmen. Die Regatten dieser Boote finden im Sommer statt und sind Ereignisse, die von den Martiniquais leidenschaftlich gefeiert werden; die erfolgreichen Steuerleute sind auf Martinique berühmt: Félix Lagier, Frantz Ferjule, Gabriel Mélidor, Charles Exilie, Désiré Lamon sind solche Helden der Yoles Rondes, die auf ihrer Insel wie Stars verehrt werden.

Schon die Ureinwohner, die Indianer der Arawak, fischten in offenen Einbäumen. Gehauen waren diese aus einer speziellen Art des Gummibaums aus den tropischen Regenwäldern Martiniques, daher ihr Name: Gommiers. Diese Gommiers waren Jahrhundertelang in gebrauch und gelten als der Ursprung der Yoles Rondes. Denn auch in den Gommiers, die, anders als die »runden Jollen«, einen abgeflachten Boden hatten um zumindest für ein Minimum an Stabilität zu sorgen, wurden während spezieller Festtage schon Rennen gesegelt. Doch nach Jahrhunderten wurden die Gummibäume für diese Boote rar; die neuen Jollen werden von Bootsbauern aufwendiger gebaut und in Rundspantform; eben die Yoles Rondes.

Keine Insel ohne Seefahrer. Zwar waren die Arawak eher Bauern, lebten in dörflichen Kommunen und bauten Getreide und Süßkartoffeln an, doch die ersten Seefahrer kamen bald – und brachten nichts als Ärger. Erst die kriegerischen Kariben-Indianer, die vom Südamerikanischen Festland aus auf die idyllischen Inseln der Karibik kamen; dann zu allem Überfluss auch noch Kolumbus. Dessen Ankunft war bekanntlich der Anfang vom Ende der Indianer.

Französisch ist Martinique seit Beginn dieser Kolonialzeiten, wenn auch nicht ohne Unterbrechungen. Dreißig Jahre nach Kolumbus kamen die ersten französischen Siedler unter Führung von Pierre d’Esnambuc und landeten im Nordwesten der Insel. Dort bauten sie ein kleines Fort und eine Siedlung, die später zur Hauptstadt von Martinique und zur elegantesten und größten Stadt der südlichen Karibik wurde: St. Pierre. Leider lag es etwas ungünstig am Fuße des mächtigen und aktiven Vulkans Mont Pelée, und ein verheerender Ausbruch im Jahre 1902 legte die Stadt buchstäblich in Schutt und Asche.

St. Pierre, im Hintergrund der Mont Pelée 

Das hatten selbst die Erzfeinde aus England rund 100 Jahre vorher nicht geschafft. Während der Napoleonischen Kriege war auch Martinique heiß umkämpft. Der schroffe und zerklüftete Basaltfelsen Le Rocher du Diamant, der nur gut eine Seemeile südöstlich des Pointe du Diamant an der Südküste von Martinique immerhin 175 Meter hoch aus dem Meer ragt, ist nicht nur eine unverwechselbare Landmarke und einer der besten Tauchspots der Insel, sondern, historisch gesehen, auch wie kein anderer Fleck Symbol der britisch-französischen Kämpfe um Martinique. 1804 schaffte es ein Trupp britischer Seesoldaten und Seeleute, den Felsen zu besetzen und sogar zu einer kleinen Batterie auszubauen. Fast unvorstellbar für jeden, der heute am Diamond Rock vorbei segelt; gibt es doch keinen wirklich geeigneten Landeplatz, keine auch nur ansatzweise geschützte Anlegestelle. An einem der seltenen, windarmen und ruhigen Tagen hatten die Briten, unter dem Kommando von Kommodore Samuel Hood, es tatsächlich geschafft, Menschen, Proviant, Wasser und schwere Kanonen samt Munition in einer ebenso mühevollen wie waghalsigen Aktion auf den Felsen zu bringen – mit den Segelschiffen des 18. und 19. Jahrhunderts und schwerfälligen Ruderbooten, in denen sie das Material von Bord der Schiffe aus zum Felsen brachten und dort an langen Taljen in die Höhe hievten.

Rocher du Diamant (hinter den Palmen zu sehen)

Ganze 17 Monate lang hockten die Engländer auf dem Felsen und behinderten mit ihren Kanonen den Schiffsverkehr nach Martinique zum Teil empfindlich – wer, von Süden kommend, um den Kanonen auszuweichen zu weit nach See hinaus hielt, kam meist nicht mehr oder nur sehr mühevoll gegen den Passatwind in die Bucht von Fort-de-France hinein gekreuzt. Voll diebischer Freude ließ Hood den Felsen sogar als HMS Diamond Rock in das Schiffsregister der Navy eintragen, als eine »unsinkbare Sloop mit vier Kanonen«. Bis zu 120 Männer waren hier stationiert. Geschlafen wurde in Höhlen, Regenwasser in Zisternen gesammelt und der Proviant, der von Schiffen aus mit Leinen und Taljen auf den Felsen gebracht wurde, durch einige Ziegen und Hühner ergänzt, die sich von der mageren Vegetation auf dem steilen Felsen so gerade eben ernähren konnten. In einer weiter unten, kurz über dem Meeresspiegel gelegenen Höhle richteten die Engländer sogar ein Lazarett ein, wo Seesoldaten und Seeleute sich von Fieberschüben oder Verletzungen erholen konnten. Doch eines Nachts, als die britische Besatzung der Batterie größtenteils schlief, kam ein Trupp französischer Seeleute in zwei großen Ruderbooten längsseits und eroberte den Felsen für Napoleon zurück.

Napoleon selbst war kein Seemann und hat auch Martinique nie besucht, dennoch hat die Insel sein Schicksal in weiten Teilen bestimmt, nämlich in Person der hübschen, 1763 in Trois Islets am Südufer der Bucht von Fort-de-France geborenen Marie Josephe Rose de Tascher de la Pagerie, in die Geschichtsbücher eingezogen als Josephine, Kaiserin von Frankreich und Ehefrau von Napoleon. Dabei war es eine unglückliche Liaison zwischen dem zwar heißblütigen und leidenschaftlichen, doch in Dingen der Liebe auch eher schlicht und naiv gestrickten Korsen und seiner raffinierten, wunderschönen und so gar nicht treuen Dame aus Martinique, die, als Tochter eines reichen Pflanzers und Plantagenbesitzers, frühzeitig den französischen Adligen de Beauharnais geheiratet hatte. Der wanderte leider, in den Wirren der Revolution, wie so viele seiner Standeskollegen unter die Guillotine; Josephine entging diesem Schicksal nur knapp und nur deswegen, weil Robespierre selbst einige Wochen vor ihr hingerichtet worden war und das große Köpferollen damit zumindest vorübergehend beendet wurde.

In ihrer Heimat Martinique ist die schöne Josephine heute nicht ganz unumstritten. Während der Revolution wurde in Frankreichs Kolonien die Sklaverei abgeschafft, doch weil die Plantage ihres Vaters ohne Sklaven wohl kaum wirtschaftlich betrieben werden konnte, bewegte sie ihren Mann angeblich dazu, die Sklaverei schon 1802 wieder einzuführen. Erst 1848 wurde die Sklaverei in Frankreich endgültig abgeschafft, dank der unermüdlichen Bemühungen von Victor Schoelcher, damals der für die französischen Überseebesitzungen verantwortliche Minister in Paris. Seine adligen Zeitgenossen und vor allem die Plantagenbesitzer mögen ihn dafür gehasst haben, doch heute wird er vor allem auf Martinique als einer der ganz großen Helden der jüngeren Geschichte verehrt.

Und die Plantagen überlebten auch das Ende der Sklaverei. Bis heute sind Bananen und Rum die größten Exportartikel der Insel. Rhumeries produzieren den begehrten Martinique-Rum, der so anders schmeckt als die billigen Jamaika-Verschnitte. Die Franzosen haben ihrem Rhum aus Martinique sogar das Siegel des »Appellation d’Origine Controlée« verliehen, welches sonst nur französischen Weinen und Käse von solider Qualität und eben einem kontrollierten Ursprung reserviert ist. Die Destillerien liegen verstreut über die ganze Insel; die meisten davon kann man besichtigen und deren Produkte verkosten. Im Norden befindet sich bei Sainte-Marie die Destillerie St. James, dessen »Musée du Rhum« eine zusätzliche Attraktion ist. An der Ostküste bei Le François kann man die Domaine Acajou aus dem 18. Jahrhundert besichtigen und den hier hergestellten Rhum Clément probieren. Weitere Destillen sind Bally, Depaz, Dillon, JM Crassous de Medeuil, La Mauny, Neisson und Trois Rivières.

Dabei hängt die Inselökonomie nicht nur an Bananen, Rum und Tourismus. Martinique ist, wie andere ehemalige Kolonien auch, ein französisches Überseedépartement; es gehört zu Frankreich und damit zu Europa. Im vergangenen Vierteljahrhundert hat Paris, mal mehr und mal weniger intensiv, seine Überseeprovinzen gezielt gefördert vor allem durch den Ausbau der Infrastruktur; nicht nur im Verkehrswesen, sondern auch in Bildung und Forschung. Martinique, als zweitreichste Insel der Karibik (hinter Barbados), verfügt über eine junge und überdurchschnittlich gut gebildete Bevölkerung. Als geografische Schnittstelle zwischen Europa und Mittel- und Südamerika befindet sich hier beispielsweise ein großes Forschungszentrum für Technologietransfer; auch die chemische Forschung wird hier gezielt gefördert.

Der Mann, der zu alledem mit beigetragen hat, wurde 1913 in Basse Pointe, Martinique, geboren. Aimé Césaire besuchte zunächst einfache Schulen auf der Insel, bekam dann aber ein Stipendium und studierte erst am Lycée Schoelcher in Fort-de-France, bald darauf, in den 1930er Jahren, auch in Paris. Dort gründete er 1939 gemeinsam mit einem senegalesischen Studenten das Magazin »L’Etudiant Noir« (Der Schwarze Student), das sich mit Frankreichs kolonialer Vergangenheit und Rassendiskriminierung, aber auch mit der kreolischen Kultur und schwarzer Identität beschäftigte. Césaire war ein zutiefst überzeugter Humanist und einer der wichtigsten Intellektuellen seiner Zeit wenn es darum ging, sich mit dem französischen Kolonialerbe auseinanderzusetzen. Dank seiner Schriften und Vorträge trug er mit dazu bei, dass die ehemaligen französischen Kolonien in Überseedepartements umgewandelt und von Frankreich entsprechend gefördert wurden. Außerdem machte er sich einen Namen als Schriftsteller und Poet, letzteres vor allem in seiner Heimat Martinique.

Die, bei aller Modernität, auch immer noch ihre romantischen, karibisch-ursprünglichen Orte hat. Im Norden der Insel ist dies der mittlerweile geschützte Regenwald rund um den 1395 Meter hohen Mont Pelée; im Osten die Atlantikküste mit ihren vielen Buchten und vorgelagerten Riffen; vor allem aber ist es die auch auf der Insel so genannte Küste der Karibik, die malerischen Palmenbuchten südlich von Fort-de-France: Les Anses d’Arlet, zwei Buchten und zwei Dörfer wie aus dem karibischen Bilderbuch fernwehkranker Metropoleuropäer. Die Zutaten: Je eine Ankerbucht mit einer Handvoll Yachten und Fischerboote, einen langen, geschwungenen Strand unter Palmen, in der Mitte davon das Dorf mit Beachbar, Krämerladen, Restaurant, und Tauchshop; als Unterkunft am Strand hölzerne Bungalows mit Himmelbett unterm Moskitonetz, durch die der kühlende Passatwind streichen kann. Fertig ist das tropische Idyll, in dem man so herrlich und unbehelligt chillen kann wie man es nur wünscht. Jeden Sonntagabend gibt es dazu im »Ti Sable« am Ende des Strandes Grande Anse d’Arlet eine Party mit Livemusik, falls es einem dann doch all zu ruhig werden sollte.

 

Die größte Party aber findet statt, wenn die Yoles Rondes ihre einwöchige Regattatour einmal um die Insel feiern. Im Ort des Geschehens werden bunte Stände am Strand aufgebaut, die Fans fachsimpeln und schließen Wetten ab, während die Crews und ihre Helfer die Boote am Strand aufreihen, auftakeln und vorbereiten. Musik, Gelächter und der Rauch der Barbeques füllt die Luft. Je näher der Start rückt, desto angespannter wird die Stimmung. Die Skipper checken zum hundertsten Mal ihre Boote, die Fans leeren und füllen ihre Rumgläser in rasender Geschwindigkeit, die Musik dröhnt hektisch. Dann ertönt eine Sirene, die Menge rast zum Strand, wo ein letztes Mal der Kurs erklärt wird. Der Start erfolgt vom Strand aus, beim Signal werden die Jollen ins Wasser geschoben und es ist mit entscheidend für den Verlauf des Rennens, so frühzeitig wie möglich zwischen den anderen Booten heraus zu kommen. Die Menge feuert jetzt die Segler an, die jedoch rasant schnell nach See hin verschwinden, auf dem Weg zur ersten Wendemarke.

Auch das Ende einer Wettfahrt wird mit ohrenbetäubendem Lärm gefeiert und die Diskussionen um die Manöver oder Kenterungen der einzelnen Boote werden oft bis spät in den Abend hinein geführt. Kein Zweifel, die Regattawoche der Yoles Rondes, jedes Jahr am Beginn der Regenzeit und am Ende der Touristensaison, ist die größte Fete der Insel. Die allermeisten Touristen sind dann schon weg, aber das macht gar nichts, denn dies ist sowieso eine Affaire Locale, ein Fest der Martiniquais.

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