Wunderbare Algarve
Auf dem Weg nach Süden bleiben viele Fahrtenyachten einen Winter lang in der Algarve hängen. Allerdings ist dies auch der ideale Ausgangspunkt für weitere Reisen, entweder zu den Kanaren und weiter oder in das Mittelmeer hinein.
Schon Dom Henrique de Avis (1394 bis 1460), genannt Heinrich der Seefahrer, wusste die strategische Lage der Algarve als Basis für Entdeckungsreisen hinaus in den Atlantik und die Welt zu schätzen. Trotz seines Beinamens war Heinrich selbst kein Seefahrer, hat aber die Seefahrt entscheidend gefördert und damit die Grundlagen für die spätere Kolonialmacht Portugal gelegt. Auch die heutige Hauptstadt Nigerias wurde nach der gleichnamigen Hafenstadt in der Algarve benannt. 1472 landete ein portugiesischer Seefahrer an der westafrikanischen Küste, die dann dort eingerichtete Handelsstation wurde nach dessen Heimathafen Lagos benannt.
Heute wird die Algarve, mit einigen guten Yachthäfen und mehreren Ankerplätzen, vor allem von Langfahrtseglern geschätzt. Auf unserem Weg nach Süden machten auch wir einige Wochen um Weihnachten und Neujahr herum hier Station. Schnell merkten wir, dass viele Nordeuropäer hier regelmäßig überwintern – vor allem Deutsche und Engländer. Einige kommen, wie wir, mit Segelbooten, andere in Wohnmobilen. Die meisten jedoch nutzen die günstigen Charterflüge von Deutschland nach Faro und suchen sich hier ein Quartier oder chartern eine Yacht. Ab Februar oder März ist die Küste im äußersten Süden Portugals ein angenehmes Segelrevier.
Tagsüber genossen wir die wärmende, milde Wintersonne bei langen Spaziergängen an dem kilometerlangen Strand östlich von Lagos, der ganz bis zur Lagune von Alvor reicht. Einige mutige Menschen baden hier selbst im Dezember im Atlantik, der dann noch wärmer ist, als die Ostsee in so manch verregnetem Sommer. Oder wir gingen zu den Felsen westlich der Stadt, mit bizarren Klippen, wasserumspülten Höhlen und versteckten kleinen Sandstränden dazwischen, auf denen sogar Weihnachten noch einige sonnenhungrige Nordländer ganz hüllenlos herumlagen.
Abends ließen wir uns durch die malerischen, katzenkopfgepflasterten Gassen der Altstadt treiben und wanderten von Bar zu Bar. Wenn wir einmal nicht an Bord kochten, aßen wir in einem der Restaurants im Ort. Bars und Restaurants gibt es in Lagos mehr, als man sie zählen möchte, und dies ist immerhin ein Vorteil eines sehr touristischen Ortes. Im Sommer wird es hier sehr voll, sehr laut und sehr ungemütlich. Doch jetzt, im milden Winter, kehrt auch dieser Ort zu seinem ursprünglichen, gemächlichen Tempo zurück. Der Fischmarkt, täglich, und der Bauernmarkt, Samstags, werden in dieser Zeit wieder hauptsächlich von Portugiesen frequentiert. Und ein besonderer Genuss war es, mittags, in der prallen Sonne sitzend, in einer der spontan zum improvisierten Grillrestaurant umfunktionierten Garagen beim Fischereihafen auf der anderen Seite des Flusses zu essen. Gegrillten, frischen Fisch, Salat und Weißwein satt, soviel man möchte, für eine Handvoll Euro. Im Sommer wäre dies undenkbar.
Sehenswert sind auch einige andere Orte entlang der Küste. Alvor zum Beispiel ist ein ehemaliges Fischernest, das, wie so viele Orte in der Algarve, die gründliche Wandlung zum brodelnden Ferienort voller Bars und Discotheken in beeindruckend kurzer Zeit geschafft hat. Dennoch bleiben die alten, weißgetünchten Häuser und die engen, steilen Gassen. Wenn jedoch der Sommer vorbei ist und die Sonne immer noch vom Himmel brennt, verlangsamt sich das Leben hier auf das normale, beschauliche mediterrane Maß. Es gefiel uns, so gegen Mittag einfach mit einem Drink oder einem Aperitif an einem schattigen Plätzchen zu sitzen und das vorbei schleichende Leben oder die draußen auf der Lagune verankerten Yachten zu betrachten.
In Portimao gibt es seit der Jahrtausendwende eine große Marina, in auch Charteryachten stationiert sind. Die Flussmündung ist durch lange Molen geschützt und man kann direkt innerhalb davon vor einem großen Strand ankern. Etwas geschützter vor Anker liegt man noch ein Stück weiter Flussauf vor Ferragudo. Oder man geht in die Marina selbst, diese bietet über 600 Liegeplätze und alle modernen Einrichtungen für Yachten und deren Crews.
Faro, mit ihren 30.000 Einwohnern die Hauptstadt der Algarve, hat den massiven Touristenansturm sehr gut verkraftet. Die vielen Besucher fügen sich einfach ganz von alleine im bunten und quirligen Stadtleben ein, so wie auch wir hier für ein, zwei Tage eintauchten. Von Ferne betrachtet, sieht die Silhouette von Faro zwar unschön aus, doch tatsächlich hat die Stadt viele hübsche Straßen und Plätze. Besuchen sollte man das alte Viertel, die Vila Adentro. Diese historische „Stadt in der Stadt“ liegt gleich vorne am Wasser, südöstlich des kleinen Bootshafens und wird durch das beeindruckende Tor Arco da Vila erreicht. Dieses herrschaftliche Bauwerk wurde von der Fischereigemeinschaft bezahlt und im Jahre 1814 von einem berühmten Genueser Architekten im Stil der italienischen Renaissance gebaut. Drinnen in der Vila Adentro gibt es zahlreiche weitere historische Bauten, darunter das frühere Rathaus und die Kathedrale, die einen beunruhigenden Stilmix aufweist, weil sie über die Jahrhunderte so oft umgebaut wurde – zuletzt nach dem großen Erdbeben von 1755, dem viele Bauwerke der Algarve zum Opfer fielen.
Der winterliche Luftraum über der Stadt und der angrenzenden Lagune wird übrigens von vielen Störchen beherrscht, die dann ebenfalls hier überwintern. In einer kitschigen Abenddämmerung paddelten wir in einem kleinen Boot zu einem grasbewachsenen Sandhügel in der Lagune hinaus, tranken hervorragenden portugiesischen Wein, betrachteten die Störche am Himmel und die fernen Häuser von Faro und fühlten uns hervorragend. Alternativ kann man, was üblicher ist, vor der Praca Larga ankern und von dort die Insel Culatra mit den ausgedehnten Sandstränden, einem kleinen Fischerhafen und netten Kneipen in aller Ruhe zu Fuß erkunden.
Die Einfahrt zur Lagune von Faro und Olhao ist beim Leuchtturm von Cabo de Santa Maria. Die flachen Sandinseln zwischen Lagune und der See sind teilweise schwer zu erkennen, aber der Flughafen und die Stadt Faro sind, von Westen kommend, weithin sichtbar, ebenso wie der Leuchtturm von Cabo de Santa Maria. Die Einfahrt wird von zwei befeuerten Seemolen geschützt. Die Ansteuerung von See ist einfach, da es keine vorgelagerten Untiefen gibt, solange man nicht zu dicht an den Strand gerät bevor man die Einfahrt identifiziert hat. In der Lagune gibt es zwei betonnte und befeuerte Fahrwasser, eines führt nach Faro, das andere nach Olhao. Bei Niedrigwasser kann man die Sände und die kleinen Fahrwasser dazwischen gut erkennen und sich dann auch einen sicheren Ankerplatz suchen. Vor Faro gibt es eine tiefe Stelle (drei Meter bei Niedrigwasser) mit Mooringtonnen, die auch von Besuchern genutzt werden können. Weitere Ankerplätze gibt es gleich innerhalb der Einfahrt, nördlich des Leuchtturms und eben außerhalb des Fahrwassers nach Olhao (Tiefen bei NW zwischen drei und gut einem Meter, je nach Stelle), sowie nördlich der Ilha da Culatra und direkt vor Olhao.
Tavira liegt ein Stück weiter östlich. Dieser Ort wird vom Fluss fein säuberlich in zwei Hälften geteilt und durch eine römische Brücke, die im 19. Jahrhundert stilgerecht restauriert wurde, wieder miteinander verbunden. Hier befindet sich der kleine Fischereihafen und, an beiden Ufern entlang der Piers, das eigentliche, lebendige Zentrum der Stadt. Frauen und Männer sitzen bis tief in die Nacht auf klapprigen Holzstühlen an der Pier oder in den verqualmten Bars und diskutierten über all die wichtigen Dinge, die die Welt bewegen. Los ist hier selbst im Sommer wenig, es ist eben ein friedliches und melancholisches Fleckchen Erde, terra pacta e melancolica, wie ein Italiener schon vor rund hundert Jahren befand – aber gerade darin liegt der Reiz. Und dass, obwohl dies einst sogar die Hauptstadt der Algarve war. Die sich seither grundlegend gewandelt hat. Aber jetzt, im Winter, ist dieser südwestlichste Zipfel Europas nicht nur ein warmes und sonniges, sondern auch von der Atmosphäre her angenehmes Ziel.
Wind und Wetter
Die Algarve liegt zwar am Atlantik, hat jedoch ein mildes, schon eher mediterranes Klima. Es ist sehr heiß im Sommer (Durchschnittstemperaturen von 30 Grad) und milde im Winter (im Januar durchschnittlich zehn bis 17 Grad). Die Winde sind sehr viel schwächer und variabler als entlang der portugiesischen Westküste und werden oft vom Land- und Seewind bestimmt. Auch im Winter sind Stürme eher die Ausnahme als die Regel, und es gibt viele angenehme Segeltage.