Seafood speisen unter Wasser
Die Natur rund um das Südkap Norwegens, der Region Lindesnes, ist klar und frisch und oft genug auch ziemlich rau. Hier treffen Skagerrak und Nordsee aufeinander, das Regionalstädtchen Mandal war einst ein wichtiger Segelschiffshafen für den Export von Holz und Lachs vor allem in die Niederlande. Heute zieht es vor allem Touristen hierher – und seit wenigen Jahren auch Gourmets aus der ganzen Welt.
Das liegt an dem äußerlich eher unscheinbaren, aber von innen spektakulären Restaurant Under, in den Schären bei Måly unweit des Kap Lindesnes. Oberflächlich fügt es sich ganz gut ein in die Landschaft dieser Felsenküste. Wie ein gigantischer Betonriegel ist es schräg im Wasser versenkt, der größte Teil befindet sich also unter Wasser. Die raue Oberfläche des Betons passt sich mehr und mehr der Umgebung an, unter Wasser wachsen darauf Algen und Muscheln und wird so zu einem neuen Riff. Die Stirnseite jedoch, auf dem Meeresgrund rund fünf bis zehn Meter unter Wasser, ist eine einzige, durchgehende Scheibe. Durch sie blicken die Gäste beim Essen auf die wunderbare Unterwasserwelt, durch sie scheint auch das weiche, diffuse und, je nach Wind und Wetter andersfarbig schimmernde Licht nach innen.
So schwimmen und gedeihen viele der Zutaten der hier in einem Viel-Gängigen Menu servierten Sterne-Seafoodküche um und auf dem Unterwassergebilde. Meistens ist das Wasser klar und man kann vieles davon sehen: Die Idee war, das zu nutzen, was hier an Ort und Stelle vorgefunden wird. Sauber und frisch genug dazu ist das Meerwasser hier allemal.
„In unserem Verständnis von Essen und Architektur funktioniert das Under wie ein lebendes Periskop. Es ist zur Unterwasserwelt hin offen, gibt Einblicke in das reiche Leben im Meer. Das Gebäude erleben unsere Gäste wie eine ArtTeleskop, mit dem man unter die Oberfläche der See blickt“, erklärt Chefkoch Bernt Sætre. Natürlich überwieg Seafood hier, die Zutaten kommen überwiegend aus dem Meer beim Under, zumindest aber aus der Region, und alle sind saisonal. Einige sind aber auch rund ums Jahr frisch zu bekommen, etwa der besondere Krebs dieser Region oder die begehrte Trüffelalge. Letzteres ist eine Rotalge, die eigentlich Pinselbüschelalge heißt. Getrocknet aber schmeckt sie tatsächlich nach Trüffel und ist nicht nur im Under zu einer begehrten Zutat der nordischen Feinschmeckerküche geworden.
Die etwas verrückte Idee zu einem Unterwasser-Restaurant hatte einst die Hoteliersfamilie Ubostad aus Lygndal, was etwa 20 Autominuten entfernt liegt. Denn die kaufte 2013 ein Hotel am Hafen des kleinen Ortes Måly und wollten dieses durch ein kleines Unterwasser-Restaurant etwas aufwerten. Als jedoch das weltberühmte Architekturbüro Snøhetta aus Oslo mit dem Entwurf betraut wurde, entwickelte sich eine gewisse Dynamik: Snøhetta, so die Eigentümer, haben daraus in jeder Hinsicht eine große Sache gemacht. Die weltweit aktiven Architekten haben nicht nur den spektakulären Entwurf und einen guten Teil des Konzeptes geliefert, sondern zur Eröffnung dank ihres professionellen Netzwerkes auch für eine globale PR-Kampagne gesorgt, die dem Under einen fulminanten Start ermöglicht hat: Vor Covid kamen fast die Hälfte aller Gäste aus der ganzen Welt.
So, wie der etwas ältere japanische Gentleman, von dem mein Taxifahrer gerne erzählt. Der Japaner habe sich mit seinem Privatjet zum etwa eineinhalb Stunden entfernten Kristiansand fliegen lassen, sich dort vom Taxifahrer abholen und zum Under fahren lassen. Dort aß er vier Stunden lang, während das Taxi auf ihn wartete, um ihn anschließend zu seinem Jet zurückfahren. Mein Taxifahrer schüttelt verwundert den Kopf: »Ein beträchtlicher Aufwand für ein Abendessen alleine...« Da fällt der Preis für das Menu, begleitet von ausgesuchten Weinen, mit rund 6000 norwegische Kronen (etwa 600 Euro) ja kaum noch ins Gewicht.
Wer lieber mit dem eigenen Boot anreist, kann im Hafen von Måly festmachen und von dort die paar hundert Meter zum Under schlendern. Für Gäste, die über Land anreisen, bietet sich eine Übernachtung im komfortablen Havhotell an.
Reservierungen und Informationen: Under.no