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Beim Hafen von Jegindoe

Der verkannte Fjord

Böige sechs Windstärken aus West und das Wasser der Livø Bredning, an der breitesten Stelle des Limfjords, strahlt tiefdunkelblau bis grünlich unter der hellen Sonne, durchsetzt mit rasch wandernden, weißen Schaumkronen. Hier baut sich schnell eine fiese, kurze See auf, aber in Lee hinter der kleinen Insel Livø ist es ruhig, das Wasser spiegelglatt.

Das ist typisch für diesen Fjord, der eigentlich keiner ist, sondern ein Meeresarm, der, in seinem westlichen Teil weit verzweigt, die Nordsee mit dem Kattegat der Ostsee miteinander verbindet. Eben noch wild, jetzt plötzlich ruhig. Als wir im winzigen Hafen von Livø anlegen, liegt hier nur noch ein weiteres Boot. Bald darauf kommt die Fähre, die Anzahl der Menschen auf der Insel ändert sich dadurch nicht: Zwei Wanderer mit Zelten steigen aus, ein älteres Paar entert die Fähre um zum Festland zu schippern. Ein paar Kisten werden noch auf die Pier geschoben, die später von einem Jüngling mit Traktor abgeholt werden, dann ist die Fähre auch schon wieder weg. Wir können es uns kaum vorstellen, dass es hier jemals voll werden kann.

„Aber doch!“, sagt der bärtige Mann im winzigen Inselladen, „bald haben wir hier eine Hochzeitsgesellschaft mit 120 Gästen!“ Wir bezahlen unser Liegegeld bei ihm und entdecken im Kühlschrank einen Schatz, nämlich ein paar Flaschen Pinot Blanc aus dem Elsass. Der Bärtige ist in Erzähllaune, aber vermutlich sind wir ja auch die einzigen Kunden an diesem Tag, und er ist ein guter Verkäufer. Gratuliert uns zum erstklassigen Wein und schwärmt gleich wieder davon, wie sie die Insel dekorieren wollen für die Hochzeit, mit bunten Lampions und einer Feuerstelle für die gemütlichen Abende und eben allem, was dazu gehört. Immerhin 200 Betten haben sie hier auf dieser Insel, im ehemaligen Krankenhaus. Etwas gruselig ist das schon, das Krankenhaus war eher so eine Art rustikaler Irrenanstalt, da denke ich doch lieber an die Geschichte der Maler, die hier 1971 eine sich selbst versorgende Künstlerkolonie aufbauen wollten, aber leider an ihren Misserfolgen in der Landwirtschaft gescheitert sind.

Abgesehen vom Wein und viel Bier der Marke „Livøl“, welches hier auf der Insel selbst gebraut wird, gibt es im Laden kaum etwas zu kaufen. Auch das mag während der Sommerferienzeit anders sein, aber wir haben es auch in anderen kleinen Fischerhäfen hier bemerkt: Man segelt besser gut bevorratet im Limfjord umher, jedenfalls dann, wenn man die wenigen größeren Orte meiden und sich in den vielen zauberhaften und verstecken Ecken dieses Gewässers verlieren will.

Welch ein Kontrast ist dieser westliche Teil des Limfjords zu Ålborg. Die viertgrößte Stadt Dänemarks liegt am östlichen, schmalen und eher langweiligen Teil dieses Fjordes. Die Ansteuerung von der Ostsee aus ist schon speziell – weit draußen in der Ålborg Bucht steht der Leuchtturm Svitringen Rende Süd, den man ansteuert lange, bevor man das flache Land dahinter sieht. Von hier aus segelt man noch ewig weiter in einer immer schmaler werdenden Rinne bis der Fjord bei Hals, welch treffender Name, beginnt. 

Ålborg selbst ist eine lebendige Stadt, die sich für einen Crewwechsel anbietet oder um das Boot eine Zeit liegen zu lassen, falls man vorübergehend nach Hause muss. Denn sie ist verkehrsgünstig ausgestattet mit einem Bahnhof und Flughafen. Überhaupt ist der Limfjord nicht so weit weg von allem, aber dann irgendwie doch ziemlich abseits und entrückt – während sich die Yachten zu Ferienzeiten in den Häfen von Anholt oder Læsø quasi stapeln, segelt in den Limfjord kaum einer hinein. Warum nur? Aber mir soll es recht sein, also bitte nicht weitersagen!

 

Da ich ja keinen Alkohol, sondern nur Wein trinke, lässt mich Ålborgs Exportartikel Nummer Eins, der weltberühmte Aquavit, eher kalt. Ebenso, wie auch die „Schnapsroute“, die einmal um den Limfjord führt, von einer Destille zum nächsten gemütlichen Gasthof, wo man dann übernachten, Speisen und vor allem den jeweils lokalen Schnaps des Ortes in allen möglichen Varianten probieren kann. Uns zog es in Ålborg eher zur Street Food Halle, direkt am Yachthafen Skudehavn gelegen, einem urigen und kommunalen Yachthafen, wo man auch an der landseitigen Pier längsseits festmachen kann, direkt vor besagter Halle.

 

Etwa 25 Seemeilen weiter nach Westen, und man kommt an die kleine, alte Klappbrücke von Aggersund. Sofern man den ja leider meist üblichen Westwind hat, wird man diese Strecke größtenteils motoren müssen, denn das Fahrwasser ist stellenweise sehr schmal und gleich außerhalb schnell flach. Aber dann, hinter der Brücke, öffnet sich der Fjord in all seiner Pracht und Breite – doch Vorsicht, vor Løgstør erstreckt sich ein ausgedehntes Flach, welches erst seit 1913 durch ein betonntes Fahrwasser befahrbar ist. Zuvor führte ein gut vier Kilometer langer Kanal parallel zur Küste an den Untiefen vorbei, der „Frederik den VII’s Kanal“ wurde 1861 eröffnet, 1913 dann aber wieder geschlossen. Am alten Kanal liegt heute ein kleines Museum über die maritime Kulturgeschichte des Limfjords, zu dem auch einige alte, offene Fischerboote gehören, die instandgesetzt wurden und gesegelt und gerudert werden können.

Der Limfjord ist berühmt für die hier wachsenden den Muscheln und Austern. Aber auch die lokale Landwirtschaft bietet beste und hochwertige Zutaten für eine anspruchsvolle, moderne Küche nach den Idealen von „New Nordic“. Also nicht nur Sterne-Verdächtig, sondern auch nachhaltig und aus lokalen Zutaten. Und so hat es sogar schon einen Sternekoch aus Kopenhagen zurück in die alte Heimat gezogen. Das Restaurant „Limfjordens Hus“ in Glyngøre befindet sich in einem auffälligen Gebäude mit zwei weißen Schornsteinen direkt am Hafen. Wer schon eine Weile am Limfjord war, weiß bei diesem Anblick: Hier wird Fisch geräuchert. Das dazugehörige Restaurant will dabei nichts weniger sein, als das Beste der Region. So hoch ist jedenfalls der Anspruch von Inhaber und Chef Rasmus O. Kardyb, der rund zehn Jahre lang in verschiedenen Sternerestaurants in Kopenhagen tätig war, bevor er nach Hause kam um seine ganz persönliche Vision eines Gourmetrestaurants zu verwirklichen. Als Schaufenster für die hervorragenden, regionalen Produkte. Und von Zeit zu Zeit werden auch Themenabende, beispielsweise Tapas, angeboten –auch diese dann mit dem „Limfjord-Touch“. Und zusätzlich zum Restaurant gibt es die erwähnte Räucherei und einen kleinen Fischladen, auch die teils wirklich exzellenten Weine von der Karte kann man zum Mitnehmen kaufen.

 

Ein Stück weiter westlich, findet man die Insel Jegindø mit einem kleinen, idyllischen Hafen. Nach Norden geht es von hier aus durch das wunderschöne, gewundene Fahrwasser westlich von Morsø. Hier erreicht man bald Doverodde. Eine zauberhafte Bucht mit einem Anleger mit etwas über zwei Meter Wassertiefe am Kopf. An Land befindet sich im „Doverodde Købmandsgård“ das Limfjordzentrum mit wechselnden Ausstellungen, einem Café und einem Turm, von dem aus man einen gewissen Weitblick genießen kann. 

Weiter nach Norden gelangt man durch den Vilsund und einer weiteren Klappbrücke nach Thisted, einer Kleinstadt mit Flair und großem Hafen. Segelt man hingegen von Doverodde nach Süden und Osten, kommt man in den Sallingsund südlich von Morsø. Der alte Fischerhafen Sillerslev bietet vor allem einen sehr schönen Sandstrand gleich am Hafen und Möglichkeiten für ausgedehnte Spaziergänge am Wasser. Und sozusagen schräg gegenüber, am Südufer des Sallingsund, liegt der kreisrunde Naturhafen Harre Vig, als landseitige Fortsetzung der Lysen Bredning. Diese Bucht ist, wie überhaupt eigentlich das gesamte Revier, nur tagsüber zu befahren und das unter sorgfältigem Loten, denn die Durchfahrt in die innere Bucht ist schmal und an den Seiten flach – doch dann öffnet sich die Bucht, die gute fünf Meter Wassertiefe hat, also ideal zum Ankern.

Nykøbing auf der Insel Morsø ist quasi die Hauptstadt des Limfjords, für Seefahrer auch strategisch günstig gelegen am Rande des Sallingsund, den man ja entlang segelt, wenn man nur die Passage durch den Limfjord von der Ost- zur Nordsee oder umgekehrt nutzt. Aber nur als „Abkürzung“ statt außen um Skagen herum zu segeln ist der Limfjord nun wirklich zu schade.

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