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Wann wird aus einem Fahrtenschiff eine „Expeditionsyacht“?

Von Pete Goss. Mehr über ihn auf seiner eigenen Webseite.

 

Vor einige Zeit sprach ich mit jemandem, der im Internet nach seinem Traumboot suchte. Dann stellte er mir eine interessante Frage: Was denn ein Segelboot zu einem Expeditionsboot machen würde. Das ist jedoch nicht ganz einfach zu beantworten, denn die Antwort hängt immer davon ab, was der Einzelne individuell als „Expedition“ bezeichnet. Ein Schiff für extreme Touren wäre zum Beispiel die 48 Tonnen schwere Pelagic Australis von Skip Novak. Dieses Schiff ist dafür gebaut, die härtesten Bedingungen zu überstehen und dennoch ein sicherer, warmer Ort für die Menschen an Bord zu sein. Ein robustes, schwimmendes Basislager, das vielen Zwecken dienen kann - von der wissenschaftlichen Forschung bis hin zum abenteuerlichen Bergsteigen auf entlegenen Inseln. Allerdings bleibt sie als Schiff damit auch weit jenseits der Bedürfnisse, des Budgets und des Erfahrungsniveaus der meisten Menschen.

Wenn wir uns von Extremen dieser Art lösen, gibt es eine begrenzte Anzahl von Booten, die ein sicheres Befahren entlegener Reviere ermöglichen. Weniger als Basiscamp, sondern schon mehr als Fahrtenyacht, mit der man allerdings auch die weniger frequentierten Reviere erreichen kann. Yachten, mit denen ein Paar, eine Familie oder auch eine Gruppe von Freunden ihre Horizonte komfortabel und in relativer Sicherheit erweitern können. Zumal ein privates Schiff von den Zwängen eines einzuhaltenden Zeitplans befreit ist und daher auf ein möglichst geeignetes Wetterfenster warten kann.   

Schließlich kommen wir dann zu den Serienyachten aus GFK, die dafür gebaut sind, nur mithilfe regelmäßiger Nutzung von Marinas zu existieren. Das hat ein ganzes Genre von Booten hervorgebracht, die voll sind mit Kojen und Kabinen, dagegen aber sehr begrenzt von den Tankkapazitäten her oder dem nutzbarem Stauraum. Letzteres, und die Sicherheit an sich, werden hier oft auf das absolut vertretbare Minimum reduziert. Diese Yachten erfüllen ihren eigentlichen Zweck ganz ausgezeichnet, sollten jedoch schon mittelmäßig schlechtes Wetter immer vertäut in einer Marina abwettern. Auf keinen Fall könnte man sie, selbst nicht im weitesten Sinne, als Expeditionsyacht bezeichnen. Diese Art von Yachten sind konstruktionsbedingt nicht dazu geeignet, über einen längeren Zeitraum hinweg autark und unabhängig vom Land zu operieren.

    
Grundsätzliche Überlegungen zum Bau

Um als „Expeditionsyacht“ gelten zu können, muss ein Boot sehr robust, aus Stahl oder Aluminium gebaut sein, mit wasserdichten Schotten an beiden Schiffsenden. Es muss gut isoliert, sowie mit Doppelverglasung und einem effizienten Heizsystem ausgestattet sein. Es sollte über ein Antriebssystem verfügen, welches es auch über einen langen Zeitraum durch raue See bringen kann. Das Rigg muss stark sein und einen einfachen, zuverlässigen Segelplan haben, der besonders für schweres Wetter geeignet ist. Das Cockpit sollte geschützt sein, und es muss ein sehr gutes und leicht bedienbares Ankergeschirr haben. Jeder Aspekt des Bootes sollte unter dem Gesichtspunkt der Redundanz entworfen und gebaut sein.

Meiner Meinung nach gibt es nur eine kleine Anzahl von Yachten, die in diese Kategorie fallen, und es ist schwierig, hier die richtige Wahl zu treffen. Anstatt Ihrem Herzen zu folgen, sollten Sie sich lieber hinsetzen und die Art der Abenteuer, die Sie unternehmen möchten, möglichst genau definieren. Nur eine klare und sachliche Definition Ihrer Ziele wird Ihnen schließlich das richtige Boot zeigen, ob es nun zur Kategorie der Expeditionsschiffe gehört oder nicht. Denn das ist der Zweck von Yachten: Sie sollen das Abenteuer ermöglichen. Denken Sie daran, dass ein Anfänger die gleiche Befriedigung und emotionale Belohnung aus einer gelungenen Überquerung des Englischen Kanals ziehen kann, wie andere mit mehr Erfahrung aus einem Transatlantik-Törn.


Wissen, wonach man sucht

Der Zusammenhang zwischen der Auswahl des Bootes durch die damit geplanten Reisen zeigt sich am nächsten Boot meiner eigenen Familie. Familiäre Änderungen haben dazu geführt, dass wir den Radius unseres Fahrtensegelns deutlich verkleinern mussten. Daher haben wir unsere wundervolle, weltumsegelnde Pearl of Penzance verkauft. Da wir nun näher an zuhause bleiben müssen, wird unser nächstes Abenteuer darin bestehen, die Küsten, Buchten, Flüsse und Kanäle Europas zu erforschen. Zu diesem Zweck haben wir ein knapp zehn Meter langes Schiff entworfen, gebaut aus Sperrholz und Epoxidharz, mit dem Namen „Oddity“. Obwohl durchaus Hochseetüchtig, kann man den Mast sehr schnell legen und es in ein Kanalboot verwandeln, das auch unter festen Brücken hindurch fahren kann. Das Boot hat eine „Sohle” aus zehn Millimeter Stahl, um das Unterwasserschiff zu schützen. Sollte man zum Winter in einer entlegenen Gegend sein, kann es notfalls von einem Traktor an Land gezogen werden.  

„Wir haben niemals unsere Entscheidung für ein tüchtiges Schiff bereut, welches immer mehr kann, als es muss und soll.”  

Für diesen Artikel möchte ich jedoch von den Punkten berichten, die uns einst zum Kauf unserer wunderbaren „Garcia 45 Exploration“ Pearl of Penzance geführt haben. Denn obwohl wir letztendlich nicht dazu gekommen sind, die wirklich entlegenen Regionen zu bereisen, haben wir unsere Wahl für ein tüchtiges Schiff, welches immer mehr kann als es muss und soll, niemals bereut. Wie bei einer Zwiebel gab es viele Lagen zu schälen, bevor wir zum Kern der Dinge und unserem idealen Boot vorstießen.

 

Die Pearl war eine riesige Investition für uns. Was bedeutete, unser Haus zu verkaufen und mit beiden Füßen voran ins Abenteuer zu springen. Unsere Kinder hatten das Haus verlassen, was uns überhaupt erst die Möglichkeit gab, in die Ferne zu segeln. Allerdings waren wir uns auch dessen bewusst, dass immer älter werdende Eltern und, hoffentlich, Enkelkinder uns irgendwann wieder zurückholen würden. Und mit diesem Gedanken im Kopf war es für uns wichtig, ein Schiff zu finden, welches seinen Wert hält und ein gesuchtes Modell ist. Das zu bedenken hat sich als richtig erwiesen, denn als es soweit war, verkaufte sich unsere Pearl im Nu.

 

Es war schön, wie sich unsere Ideen und Ansprüche an das Boot ergänzten, obwohl das Segeln für Tracey etwas Neues war. Ich wollte ein starkes und praktisches Schiff, welches bestmögliche Sicherheit versprach, aber auch Redundanz der nach hohen Maßstäben ausgewählten Systeme. Da unser Zeitfenster immer kürzer wurde, musste das Boot unbedingt unseren Bedürfnissen dienen und nicht wir dem Boot. Tracey legte großen Wert darauf, dass das Boot alle Annehmlichkeiten wie Doppelverglasung, Kühlschrank, Gefrierschrank und eine warme Dusche bietet. Vor allem sollte es hell und luftig sein und über einen Deckssalon verfügen. Für ist es unverständlich, dass man an Bord eines Bootes, das einen an die schönsten und exotischsten Orte der Welt bringen soll, wie in einer Höhle leben soll. 


Aluminium und Kielschwert, eine gute Verbindung  

Im Laufe meiner Karriere habe ich alle möglichen Boote aus Glasfaser, Kohlefaser, Holz, Stahl und, im Falle von Pearl, Aluminium gesegelt. Jedes Material hat seine Berechtigung, aber für ein Boot zum Leben an Bord mit hohen Ansprüchen würde ich mich immer für Aluminium entscheiden. Es ist ein starkes, leichtes Material, das sich durch eine quasi „selbstheilende“ Oxidationsschicht schützt. Man kann Aluminium natürlich auch lackieren, aber das macht den Vorteil der Oxidation zunichte und öffnet unnötigen Wartungsarbeiten Tür und Tor. Tatsächlich hatten wir auch die Pearl zunächst lackiert, bis wir den Lack schließlich bis auf das blanke Metall weg geschliffen und es danach nie mehr bereut haben.

Eine unserer besten Entscheidungen war die für ein Schwert anstelle eines Hubkiels. Um die Unterschiede beider Systeme zu erklären, möchte ich mit dem aufrichtenden Moment beginnen. Das ist natürlich fundamental wichtig und geht aber verloren, sowie der Hubkiel aufgeholt wird. Mit unserem Schwert konnten wir dagegen große Atlantikseen hinab surfen, immer mit dem sicheren Gefühl, dass der Ballast fest war, ganz gleich, in welcher Position sich das Schwert gerade befand. Diese Möglichkeit, das Schwert beim Segeln einzuholen bedeutet auch, dass das Schiff vorm Wind nicht über den eigenen Kiel stolpert und viel besser geradeaus segelt. Das hat das Segeln auf diesen Kursen viel komfortabler gemacht und alle Bereiche an Bord entspannt, bis hin zum Autopilot und dessen Stromverbrauch. Als angenehme Nebenwirkung bekamen wir unter Maschine noch einen halben Knoten Fahrt mehr geschenkt, wenn wir das Schwert hochholten.

Weil wir mit dem Schwert keinen tonnenschweren Ballast bewegen müssen, reicht zur Bedienung ein etwas vergrößertes „Jollensystem“: Eine Kontrollleine im Cockpit zum Aufholen und Absenken des Schwerts reicht. Das Absenken geschieht mit der Leine von Hand, zum Aufholen legt man die Leine um eine Winsch. Ein ebenso einfaches wie unkompliziertes System, das weder eine komplexe Hydraulik benötigt, noch einen massiven Kielkasten, der unter Deck die Einrichtung stört.

Unser Tiefgang mit aufgeholtem Schwert war etwa 1,10 Meter, mit abgesenktem Schwert 2,80 Meter. Das hat uns bessere Segeleigenschaften am Wind beschert, als ich zu hoffen gewagt hatte. So kann man das Beste aus beiden Welten genießen und die Vorteile eines geringen Tiefgangs mit aufgeholtem Schwert sind vielfältig. In einer vollen Ankerbucht ist der Streifen freien Wassers zwischen den ersten Ankerliegern und dem Ufer quasi für uns reserviert. Falls der Anker eines anderen Bootes nicht hält, würde es von uns wegtreiben. Natürlich gilt dieser Vorteil auch für eine Yacht mit Hubkiel, aber dank der reduzierten Stabilität bei aufgeholtem Kiel liegt sie unruhiger.

Überhaupt hatten wir mit Pearl Zugang zu Ankerplätzen, die Yachten mit mehr Tiefgang versperrt blieben. Und falls wir mit gefiertem Schwert einmal aufliefen, klappte es einfach nach achtern weg. Wir hatten auch die Möglichkeit, mit dem Boot trocken zu fallen um das Unterwasserschiff zu reinigen oder zu checken, oder uns ganz tief in ein Hurricane Hole hinein zu verkriechen um einen Sturm auszusitzen, mit der zusätzlichen Sicherheit, dass wir das volle aufrichtende Moment auch mit aufgeholtem Schwert hatten. Kurz und gut, Hubkiele und Schwerter sind durch einen tiefen Graben getrennt und wir waren stets dankbar, immer auf der richtigen Seite dieses Grabens zu sein.  


Wenn das Boot schöne Erinnerungen erschafft

Tracey wollte, dass die Schlafunterkünfte durch den Salon und die Küche voneinander getrennt sind. An unserem Ende gab es ein großzügig bemessenes Doppelbett, in das man auch von den Seiten her einsteigen konnte, und einen ebenso großzügigen WC- und Waschraum. Auf der anderen Seite des Salons muss dann möglichst eine weitere Doppelkabine sein, ebenso mit eigenem WC. Das machte sich immer dann bezahlt, wenn sich unsere Gäste zurückziehen und ihren Jet-lag ausschlafen konnten, ohne unseren gewohnten Tagesablauf zu stören, der immer mit einem frühen Tee oder Kaffee beginnt. Für beide Kabinen gab es adäquaten Stauraum, dazu noch einen separaten Technikraum mit Platz für Werkzeuge und Ersatzteile.

„Da haben wir also das Konzept: Einen sicheren und komfortablen Ermöglicher von Träumen“

Da haben wir also das Konzept: Einen sicheren und komfortablen Ermöglicher von Träumen. Aber wie groß sollte das Schiff sein? Wir entschieden uns für 45 Fuß (etwa 13,70 Meter) weil sich dies groß genug anfühlte, um auch Besucher an Bord zu haben und überall hinsegeln zu können, aber auch klein genug um nur von uns beiden mit Leichtigkeit gesegelt zu werden. Wir wollten nicht von Crew abhängig sein und so war es uns wichtig, dass alle Fallen und Leinen in das Cockpit umgelenkt waren. Ein Cockpit, das sowohl Schutz vor den Elementen bietet, als auch ausreichend Platz für den gemütlichen Sundowner mit Freunden.

Viele Unfälle passieren beim Übersteigen vom Beiboot, beim Ankern oder Anlegen. Aus diesem Grund wollte ich gute Rundumsicht und die volle Kontrolle von der Steuerposition aus haben. Dazu ein offenes Heck zum sicheren An-Bord-Gehen, ein zuverlässiges und robustes Ankersystem und ein Bugstrahlruder. Alles dies trug dazu bei, dass diese zweieinhalb Jahre die wunderbarsten, lebensfrohesten Jahre unserer Leben wurden. Ich bekam einmal den weisen Rat, mein Geld in Erinnerungen zu investieren. In diesem Fall wurden die guten Erinnerungen durch die Wahl des richtigen Bootes ermöglicht.

 

Pete Goss (Geboren 1961) ist ein britischer Segler, der durch mehrere spektakuläre Segelreisen berühmt geworden ist. Beim Vendée Globe Race 1996 rettete er den ebenfalls am Rennen teilnehmenden Segler Raphael Dinelli, der seine havarierte Yacht hatte aufgeben müssen. In dem brüllenden Vierzigern des tiefen südlichen Ozeans drehte Goss um und kreuzte zwei Tage gegen den Orkanartigen Sturm an, um Dinelli endlich zu finden und aus der Rettungsinsel an Bord zu nehmen. Für diese unglaubliche seemännische Leistung wurde Goss in die „Legion d’Honneur“ aufgenommen. 2008 baute er die Replik eines hölzernen, Lugger-getakelten Arbeitsbootes aus dem 19. Jahrhundert und segelte damit von Cornwall nach Australien, ohne jeglichen modernen Systeme oder Hilfen. Heute ist Pete Goss ein Unternehmer und gefragter Vortragsredner. petegoss.com

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